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Best of the West

Condor-Direktflug DE 2082 Frankfurt – Las Vegas. 11,50 h vorgesehene Flugdauer, die Route folgt der britischen Ostküste, Island wird überflogen, die bizarren Gletscher Grönlands, strahlend blauer Himmel, über Nordkanada ein paar lockere Wolken… An Bord die Schröders, Reihe 16 A und B, wie immer mit Fensterplatz – doch wir sehen nichts! Konstruktionsbedingt läuft neben uns eine Querrippe durch den Flugzeugrumpf, abgedeckt durch eine breite Plastikverblendung. Fensterplatz ohne Fenster, das gab′s auch noch nie! Doch die nette Oma hinter uns lässt mich wenigstens beim Überflug von Grönland ein bisschen knipsen, und kurz vor dem Landeanflug sieht man mit ein paar Verrenkungen toll auf Utahs rote Felsen.

Zum Glück ist unser ganzes Geraffel gemeinsam mit uns angekommen, und auch noch unbeschädigt! Im Best Western Mardi Gras kriegen wir ein gutes Zimmer, fast eine kleine Suite. Als wir alles in den ersten Stock hochgestemmt haben, sind wir total platt – gut heiß ist es hier! 103 °Fahrenheit, das macht ungefähr 38 nach Herrn Celsius, und da können wir noch froh sein – letzte Woche hatte es noch 42 °C.

Am Abend geht′s natürlich gleich zum legendären Strip (dem Las Vegas Blvd. natürlich:-) Sieht alles ganz nah aus vom Hotelfenster, aber wir latschen gut 3 km, und trotz einsetzender Dunkelheit ist immer noch eine Bullenhitze. Vegas hat sich ganz schön verändert in den letzten 15 Jahren, vor allem teure Nobelkästen sind dazugekommen (Wynn′s), andere wie Sands und Aladdin wurden zwischenzeitlich abgerissen. Lustig ist das Venetian mit Canale Grande, Gondolieri und "O sole mio" unter künstlich erleuchtetem Himmel. "Where are the restrooms?" fragen wir einen historisch gewandeten Palastwächter in bestem Schwäbisch-Englisch. "Gang rrrunterr, vorrne links, servus, häh!" antwortet der. Wir schaffen es kaum noch aufs Klo vor Lachen. Macht einfach wieder Spaß, Las Vegas!


Weiter, New York New York, Excalibur, Luxor-Pyramide. Letztere finden wir sogar recht geschmackvoll, auch innen nicht so grell und dafür besonders effektvoll beleuchtet. Jetzt muss der Ami nicht mehr in die weite Welt hinaus reisen, denn er hat ja in Vegas alles schon gesehen. Zum Abendessen gibt′s dann eine gute Pizza und ein paar Miller′s Lite im "Original Beer Garden" direkt unter dem Eiffelturm bei lautem Techno-Gehämmer, dabei schauen wir uns mindestens fünfmal die wirklich genialen Bellagio-Wasserspiele an. Wir entlehnen mal (zumindest sinngemäß) bei Kurt Tucholsky: Alles völlig dekadent – aber morgen gehen wir wieder hin!

Bald sind am nächsten Morgen unsere Fahrräder zusammengesetzt, an der Tanke nebenan haben sie Pressluft (1,50 Bucks für 3 Minuten). Kleine Probefahrt, alles läuft rund – und sogar die Polizei radelt hier, wie man unten sieht! Da kann fast nix mehr schief gehen! Und jetzt geht es natürlich zum berühmten Las-Vegas-Schild hinaus für das obligatorische Foto. Das fotogene Relikt der Neon-Ära, entworfen 1959 von Betty Willis, ist aber auch ein tolles Teil und praktisch auf jedem Vegas-Souvenir abgebildet, von Tassen über T-Shirts bis zur Rückseite von Spielkarten. Man muss sogar Schlange stehen, ganze Busladungen von Asiaten werden herangekarrt. Zweifelsohne ein Must-See!

Las Vegas – Springdale / Zion NP (330 km*)

Jetzt aber los! Am nächsten Morgen Frühstart kurz vor Sieben, um der größten Tageshitze zu entgehen. Zuerst geht′s mal nebenan zu Seven Eleven auf ein paar Donuts und ein Startfoto, dann eiern wir (anfangs wie immer noch etwas wackelig mit dem ganzen Gepäck) auf dem Las Vegas Blvd. nach Norden. Die Fortsetzung des Strip zieht sich endlos geradeaus durch alle möglichen Vororte.

Spätestens ab Neun ist es wieder gut warm, die Zunge klebt am Gaumen. Draußen beim Las Vegas Motor Speedway kommt dann zu allem Überfluss noch ein recht herber Gegenwind auf, womit wir jetzt eigentlich nicht gerechnet hätten. Nach über 30 km dann die Einmündung in die Interstate – hinter uns können wir immer noch Las Vegas’ Glaspaläste und die Space Needle erkennen. An der Leitplanke lehnend verdrücken wir jeder eine Orange, das bringt ein paar Lebensgeister zurück.

Auf der I 15 flutscht es jetzt endlich wieder; die Trucks sorgen für Schubumkehr. So haben wir exakt um Zwölf (High Noon) dann doch noch 60 km auf dem Tacho. Jetzt müssen wir die Interstate wieder verlassen – und an der Ausfahrt gibt es doch tatsächlich einen kleinen Laden (Junk Food, Liquors, Fireworks), der sogar Tisch und Bänke draußen hat. Passt perfekt zum Lunch; köstlich das Coors Light zu unseren Bagels mit Hormel′s Pepperoni – knapp 30 km noch, das hätten wir im Sack …

Ha, von wegen! Auf der kleinen Valley of Fire Rd. geht plötzlich gar nichts mehr, Gegenwind, brüllend heiß, wir verbrauchen unser ganzes Wasser (obwohl gerade beim Feuerwerksladen erst aufgetankt) und haben trotzdem ständig eine trockene Gurgel, wie mit Sandpapier ausgeschlagen. Zum Schluss müssen wir selbst an kleinsten Steigungen schieben. So fertig waren wir noch nie im Leben – außer einst in der Atacama auf dem Weg nach Calama.

Nach fast vier Stunden (!) endlich der letzte Hügel, dann folgt eine rauschende Abfahrt in ein tolles Tal mit roten Felsen – Valley of Fire.  Am State Park-Kassenhäuschen werden wir schon erwartet. Wo wir denn so lange bleiben, fragt der nette Ranger. Autofahrer haben ihm wohl berichtet, dass noch Radler auf der Strecke sind. Die Antwort kann ich nur noch krächzen.

Als Entschädigung gibt′s heute den bislang absolut schönsten Campground unseres Lebens, umgeben von den tollen roten Felsen, die von der Abendsonne ins Licht gesetzt werden – ein Traum! Ein kleiner Hase und geschätzte 10 Backenhörnchen hüpfen fast zahm herum und haben alle fürchterlichen Durst. Wir lassen ihnen die Betonwanne unter dem Wasserhahn bestimmt fünfmal vollaufen – und uns auch, mit Wasser und unzähligen Vitamin-Brausen. Die netten Schweizer nebenan kühlen unsere Teeflasche und schenken uns sogar noch zwei Dosen Bud – hurrah! Herrlich schmeckt das Abendessen, Sirloin Burger with Country Vegetables (Campbell′s Chunky Soup) und Nudeln und mit dem Bier dazu. Ein bisschen Wind vertreibt die Tageshitze, und um 21.30 Uhr kriechen wir zufrieden ins Zelt. Bilanz: Heute mehr als 18 ltr. gesoffen, und trotzdem müssen wir nachts nicht einmal raus, der Körper saugt alles auf wie ein Schwamm. Aber diesen superschönen Abend werden wir nie vergessen!


Beim Sonnenaufgang ist es dann fast noch schöner; in den prä-digitalen Zeiten hätten wir jetzt eine Rolle Film durch die Kamera gejagt:-) Um 7.00 Uhr sind wir wieder auf der Straße, eine fetzige Abfahrt durch die roten Felsen bringt uns hinab zur Northshore Rd., die aus der Lake Mead Nat′l. Recreation Area herüber kommt. Und nach 45 km biegen wir wieder in die Interstate ein – der Abstecher war hart, aber er hat sich gelohnt.

Im Gegensatz zu gestern rollt es perfekt heute, endlich der ersehnte Rückenwind! Doch schon nach wenigen Kilometern der erste Plattfuß – kein Wunder, ständig muss man um zerfetzte Lkw-Reifen-Fragmente herumkurven. Keine Ahnung, aus was die Amis Reifen machen, aber nadelspitze Drahtteile liegen absolut überall herum, und wie immer trifft es das Hinterrad, damit es nicht zu einfach wird. Also, alles abgepackt – plötzlich hält ein Kleinlaster mit einem Bagger auf dem Anhänger, der Fahrer und sein Sohn kommen angelaufen: "Everything allright with you, guys? I′ve got a floor pump in my truck!" Ha, so lassen wir es uns gefallen – der neue Schlauch wird sogar noch aufgepumpt! Das war der schnellste Reifenwechsel ever, und dann hält noch der State Trooper seinen Riesen Schlitten an, fragt gleichfalls nach dem werten Befinden und sichert mit fetzigem Blinklicht die "Problemstelle".. Beim nächsten Rastplatz dann sitzt schon einer auf seiner Coleman Box und winkt mit der gekühlten Wasserflasche. Sie sind halt mal wieder wahnsinnig nett, die ganzen Amis, beste Erinnerungen an frühere Touren werden wach – like coming home.

Am nächsten Tag wartet Utah, das Land der roten Felsen, doch vorher führt die I 15 ein kurzes Stückchen durch Arizona. Ein problematischer Abschnitt, vor dem uns schon zu Hause alle gewarnt haben – hier muss die Interstate durch den engen und windungsreichen Canyon des Virgin River, an diesen 20 Meilen wurde 15 Jahre lang gebaut und es wurde einer der teuersten Autobahnabschnitte der USA ("100 $ every Inch"). Doch wir genießen die tolle Streckenführung, halten öfter an für Foto-, Obst- und Wasserpausen. Halb so wild, finden wir, es gibt sogar einen schmalen Seitenstreifen – okay, außer auf den Brücken; hier muss man schon zügig mit dem Kopf unter dem Lenker durchziehen. Aber die Amis haben, zumindest für unsere Begriffe, einen sehr rücksichtsvollen und vorsichtigen Fahrstil. Selbst die Trucker ziehen nach Möglichkeit auf die linke Spur hinüber, um uns ja nicht zu gefährden – von Germany sind wir da anderes gewöhnt!

"Welcome to Utah" heißt es dann. Vor uns liegt St. George, umrahmt von toller Bergkulisse. Sogar einen verschlungenen Radweg gibt es – und einen kräftigen Thunderstorm, vor dem wir uns gerade noch in einen Supermarkt flüchten können. Dabei werden wir von einer sportiv wirkenden Frau angesprochen, die durch unsere Radklamotten auf uns aufmerksam wurde. Kathleen und ihr Mann David radeln ebenfalls gern und viel, wenn auch weniger auf Gepäcktouren, und träumen schon lange vom Rheinradweg. Wir quatschen eine ganze Weile, während draußen eine wahre Sintflut niedergeht. Auf jeden Fall kriegen wir eine herzliche Einladung für ein gutes Abendessen, falls wir je auf dem Rückweg wieder nach St. George kommen. Und wir versprechen, dass wir den beiden unbedingt Infos über den Rhein- und den Donauradweg schicken, wenn wir wieder daheim sind.

Abends surft Sybille noch ein bisschen im Internet zwecks Unterkunft in Springdale – oops, fast alles ausgebucht! Am nächsten Morgen müssen wir dann glatt eine halbe Stunde telefonieren, bis wir die Unterbringung für die nächsten drei Tage auf der Reihe haben, und auch so klappt′s nur mit einmal Umziehen. Immer zelten will man halt doch nicht, zumal eine Coldfront mit ergiebigen Regenfällen angekündigt ist. Und ab sofort verbringen wir dann leider täglich etwa eine Stunde quasi im Büro, sprich am Netbook mit Resevierungen (genial ist dabei www.orbitz.com). Zum Glück gibt es wirklich überall WiFI, selbst auf manchen Campgrounds.

Die UT 9 in Richtung Zion NP führt uns dann so richtig hinein in die faszinierenden roten Felslandschaften. Hinter La Verkin ist noch ein Gebirgsausläufer zu erklimmen, dann sind wir wieder im Tal des Virgin River, der hier eine hübsche grüne Flussoase bildet, mit den Felsen am Rand eine wahre Augenweide. Rockville erstreckt sich entlang der Straße, ein nettes Dörfchen wie aus den Urzeiten der mormonischen Siedler, mit weißem Kirchlein und vielen Bed & Breakfasts. Apropos: Die Mormonen beherrschen noch heute das geistliche und politische Leben in Utah – 80% der Bevölkerung gehören der Church of Jesus Christ of the Latter Day Saints an, die gleichzeitig über ein weitreichendes Wirtschaftsimperium verfügt. Egal wie man zu dieser (und anderen) Religionen steht – was die Mormonen seit Mitte des 19. Jahrhunderts aus dem eher unwirtlichen "Great Basin" und dem späteren Staat Utah gemacht haben, das ist schon bewundernswert!

Drei Meilen später sind wir in Springdale und beziehen ein perfektes Zimmer, mit tollen rustikalen Möbeln und schönem Balkon – leider nur für eine Nacht, dann müssen wir ein paar Häuser weiter wechseln. Am darauffolgenden Morgen um 8.00 Uhr stellen wir also unsere Packtaschen im Office des Canyon Ranch Motels unter, dann geht es per Rad in den Zion National Park. Rollt einfach super, so ohne Gepäck!

Das USA National Parks System ist eine absolut geniale Einrichtung und nicht genug zu preisen! Als Vater der Nationalpark-Idee gilt der Naturschützer John Muir, der später in Theodore Roosevelt einen großen Fürsprecher hatte. Unvergessen Muirs Satz, bezogen auf die ungezügelte Abholzung der kalifornischen Redwoods: "Gott hat für diese Bäume gesorgt, sie vor Sturm und Flut bewahrt, aber er kann sie nicht vor Verrückten bewahren. Nur Uncle Sam kann das." Hervorragend auch der Web-Auftritt des NPS (s. oben unter "Zion"): Dort kann man sich sogar unter der Rubrik "Park Newspaper" umfangreiche Infos auf Deutsch herunterladen, inkl. Campgrounds und einer Aufstellung aller Trails.

Am Parkeingang kaufen wir uns einen Interagency Pass, gültig ein Jahr für alle Nationalparks der Staaten – der wird sich noch lohnen auf unserer Tour! Dann geht es auf schönem Radweg (!) und später auf dem für Privatautos gesperrten Scenic Drive in den Canyon hinein. Sehr beeindruckend, immer enger treten die Felsen zusammen. Sie haben Namen wie Temple of Sinawava, Angel′s Landing oder Great White Throne, alles den Göttern geschuldet, deren Sitz einst die Indianer und später auch die Mormonen hier vermuteten. Auch sehen wir fast das gesamte heimische Wildlife, vom kleinen Canyon Treefrog über Maultierhirsche, unzählige freche Eichhörnchen und wilde Truthühner bis zu einer riesigen und Respekt einflößenden Tarantel, die sich aber dann im Gebüsch verkriecht.

Nach gut 10 km kommen wir an eine Wendeplatte, dann treten die Felsen bis auf nur noch wenige Meter zusammen, sodass kaum mehr ein Platz für einen Fußweg bleibt. Diese Park-Sektion heißt "The Narrows", und jetzt muss man im Fluss weiterwaten, zwischen mehrere 100 m hohen Felswänden. Wir haben aber vorgesorgt und unsere Badeschuhe dabei. Stöcke liegen auch schon bereit – bald macht das nasse Abenteuer großen Spaß. Doch nach einem knappen Kilometer müssen wir aufgeben; hier geht uns das Wasser schon fast bis zum Hintern, weiter vorne sehen wir gar ein paar der Canyon Hikers schwimmen – wir wollen ja nicht womöglich noch die Kamera fluten. Ist auch gut so, denn wir erreichen wieder mal gerade noch unser Motel, bevor ein Thunderstorm mit gewaltigen Wassermassen niedergeht. Gut, dass wir hier nicht zelten müssen!

Am nächsten Morgen sind die Narrows gesperrt, zu hoher Wasserstand. Zum Glück haben wir den feuchten Trip schon hinter uns! Die Ranger sind bei den Sperrungen rigoros, mit Recht – hier hat es schon mehrfach Tote gegeben, wenn etwa weit entfernte Gewitter Flash Floods ausgelöst haben und den Virgin River binnen Minuten zum reißenden Wildwasser anschwellen ließen, das dann auch noch eine Treibholz-Lawine vor sich her spülte... Dafür ist die Wanderung zu den "Emerald Pools" heute besonders schön, die Wasserfälle sprudeln kräftig –auch das ist dem gestrigen Regen geschuldet. Alles zu seiner Zeit! Übrigens ist das seit unserem Start in Vegas der erste Tag ganz ohne Rad; alles erreicht man hier mit den kostenlosen Shuttlebussen.

War super im Zion NP, unbedingt! Morgen geht es weiter, auf dem Zion-Mt. Carmel Hwy. Der führt allerdings durch den Zion Tunnel, den man als Radler nicht befahren darf. Wir müssen uns also um einen privaten Transport kümmern und werden bei der Zion Adventure Company  fündig, die einen Trailhead Shuttle für Wanderer betreibt. Also, morgen um 9.30 Uhr… Und am Abend feiern wir den gelungenen Zion-Aufenthalt mit einer echten Holzofen-Pizza bei "Flying Monkey′s" mit gutem Chasing-Tail-Bier aus einer nahen Microbrewery. Eine Sorte heißt gar Polygamy Porter (die Mormonen lassen grüßen).

Springdale – Page / über Grand Canyon North Rim (420 km*)

Die Straße durch den oberen Teil des Zion NP entpuppt sich dann als wahre Traumstrecke – schade, dass wir hier nicht radeln können! Na ja, vielleicht auf dem Rückweg… Der Tunnel ist aber auch wirklich ein bisschen grauslich, eng und noch aus den 20er-Jahren. Oben dürfen wir mit Sack und Pack aussteigen, dann geht es weiter über Mt. Carmel Junction und die US 89 nach Kanab.

In Kanab teilt sich die Straße; die US 89A wird unsere Einfallstrecke zum Grand Canyon. Sie verläuft anfangs eben, doch dann setzt eine leichte, kaum wahrnehmbare, aber nahezu gleichbleibende Steigung ein. Bald radeln wir durch eine Halbwüste, in die sich die Straße fast schnurgerade hineinzieht. Optisch denkt man fast, es geht bergab, doch die in großen Abständen auftauchenden Höhen-Anzeigen belehren eines Besseren: 5000 ft., 6000 ft., 7000 ft. … Dann erst nimmt die Steigung spürbar zu, es gibt ein paar schöne Kurven und einen netten Aussichtspunkt. Selbst nach über 40 km kann man immer noch deutlich Kanab in der Ferne erkennen. Immerhin aber mit schönem Background, den roten Sandsteinfelsen der Vermillion Cliffs.

Langsam säumen immer mehr schöne Kiefern die Straße, die immer noch weiter ansteigt – die 8000-ft.-Tafel liegt schon lange hinter uns. Dazu zieht sich der Himmel zu und es gibt erste Schauer. Gegen 15.00 Uhr erreichen wir dann Jacob Lake, gerade vor einem ergiebigen Regenguss. Die Zimmer in der Lodge sind natürlich wieder alle ausgebucht; da bleibt nix anderes übrig als Campen auf dem National Forest Campground gegenüber. Zum Glück hört dann der Regen auf, die Sonne kommt zum Vorschein – jetzt haben wir den Regen für die nächsten drei Wochen überstanden! In der Nacht spannt sich ein schöner Sternenhimmel über den Kaibab National Forest.

Jetzt dürfte es zum Grand Canyon North Rim eigentlich nur noch wenig ansteigen. Doch von wegen – die Straße führt kräftezehrend ständig auf und ab, wir brauchen alle Gänge. Eine Tafel zeigt den Peak der heutigen Strecke an: 8830 ft., knapp 2700 m – immerhin fast so hoch wie das Stilfser Joch! Rundum die Relikte des großen Waldbrands im Jahr 2006, doch dann wird die Landschaft wieder sehr schön, die unendlichen Kieferwälder sehen gesund aus, durchsetzt von Wiesen und kleinen Seen, einmal rennen ein paar Maultierhirsche über die Straße. Und klapperkalt ist es, wir brauchen bis zum Nachmittag das Langarmtrikot und warme Handschuhe – wer hätte das vor gut einer Woche in Las Vegas gedacht!

Dann der Eingang zum Nationalpark, 18 km weiter der Campground – no vacancy! Gottseidank haben wir vorher reserviert, es lebe unser Netbook! Schnell ist das Zelt aufgebaut, ausgiebig geduscht für 1,50 $ p/pax und in der tollen Lodge vorne am Canyonrand ein Tisch zum Abendessen reserviert. Super unsere Campsite, US National Park Style eben – fast bräuchte man ein Fernglas, um den Nachbarn zu erkennen, so viel Platz hat man ums Zelt!

Der Grand Canyon ist und bleibt der King unter den Nationalparks, das müssen wir einfach immer wieder denken! Traumhaft der Spaziergang am Rim entlang, abends werfen die Felsen im Canyon fantastische Schlagschatten in der langsam untergehenden Sonne. Der Mensch ist überfordert, adäquate Worte für dieses Naturwunder zu finden, nur Bilder können einen kleinen Eindruck erwecken. Auf jeden Fall bleiben wir noch vor dem Abendessen bis zur völligen Dunkelheit auf der Sonnenterrasse der Lodge sitzen und blicken hinüber zum South Rim, von wo ein paar Lichtlein der dortigen Lodges herüberleuchten. Dort haben wir damals vor 17 Jahren auf unserer Route 66-Tour ein paar unvergessliche Tage verbracht, mit Abstieg bis zum Plateau Point… Doch auch wenn der South Rim sicher der lohnendere Canyonrand ist, ist der Nordrand immer noch großartig genug – und dabei nicht ganz so überlaufen.



Einen genaueren Blick wert ist auch die historische Lodge, errichtet zunächst 1928 und nach einem Brand 1932 wieder neu aufgebaut vom damaligen Star-Architekten Gilbert Stanley Underwood, der im Auftrag der Union Pacific Railroad Company auch die Lodge am Bryce Canyon und noch etliche andere erbaute – für uns ein absolutes Juwel! Leider kriegt man hier schon Monate im Voraus kein Zimmer mehr; aber wir hängen nach dem Essen wenigstens noch ein bisschen in den gemütlichen Sesseln des Aussichtszimmers herum, auch wenn die Dunkelheit schon lange keine Aussicht mehr erlaubt. Das Ambiente ist einfach zu schön!

Am nächsten Morgen wandern wir ein Stück den North Kaibab Trail hinab. Etliche Rucksackler kommen uns entgegen, wahrscheinlich alles Canyon-Durchquerer, die sicher am South Rim gestartet sind und unten bei der Phantom Ranch übernachtet haben. Auch eine gute Option, es gibt sogar einen Transcanyon Shuttle, der die Wanderer wieder zum Ausgangspunkt zurück bringt, außen rum immerhin mehr als 300 km. Vom Nordrand aus muss man schon gute drei Stunden latschen (one way), um wenigstens den Haupt-Canyon zu erreichen und eine bessere Aussicht zu genießen – der Bright Angel Canyon, ein Seitental, zieht sich endlos. Das ist einer der Punkte, warum der North Rim nie so viele Touristen anziehen wird wie der South Rim. Zudem liegt er noch wesentlich höher (auf über 2500 m) und ist im Winter ein paar Monate eingeschneit.

Abends gehen wir dann zum Ranger-Programm – auch so eine tolle Einrichtung (die es in allen US NPs gibt): Wir erfahren am Lagerfeuer allerhand interessante Dinge über das gesamte Colorado Plateau, die Entstehung des Grand Canyon und über Präsident Roosevelt, der einst hierher mit dem Trapper Uncle Jim zur Jagd kam – von Roosevelt stammt auch der Spruch, dass unbedingt jeder Amerikaner einmal im Leben den Grand Canyon gesehen haben müsse. Wie gesagt, der Nationalpark-Gedanke – auch wenn wir keine Amerikaner sind, wir stimmen zu:-)

Am nächsten Morgen ist es wieder sakrisch kalt, Frühstück in Pelz und Jacke, dann  geht es die 70 km nach Jacob Lake zurück. Dieses Mal haben wir aber unser Zimmer in der Lodge sicher, da beim letzten Mal reserviert! Und abends feiern wir unseren gelungenen Grand Canyon-Aufenthalt, ein absolutes Highlight dieser Tour, mal wieder mit einem adäquaten Abendessen: Original Kaibab Jagerschnitzel! Mit Suppe und Nachtisch, dazu vier Coors Light – das passt mal wieder; wir schlafen tief und traumlos.

Jetzt bringt uns ein schöner 15-Meilen-Downhill von 7900 ft. hinab auf 4000 ft – mehr als 1000 Höhenmeter sind vernichtet. Unglaublich beeindruckend ist es wieder, wie sich auf kürzester Distanz die Landschaft verändert. Der Kiefernwald bleibt zurück, bald gibt es nur noch Krüppelkiefern, dann nur noch Mesquite-Sträucher und Chreosotbüsche. Linker Hand begleiten uns jetzt die schon vor Tagen aus der Ferne gesehenen Vermillion Cliffs, eine atemberaubende Kulisse aus buntem Sandstein – wohl genau die Felsen, die wir bei der Anreise aus dem Flieger geknipst haben. Und unten legen wir alle langen Klamotten ab. Endlich können wir mal wieder im Sommer-Outfit radeln – das bleibt jetzt so für die nächsten zwei Wochen. Bei der Cliff Dwellers Lodge, 30 Meilen seit Jacob Lake, zeigt das Thermometer an der Tankstelle 32 °C, ein Colibri schwirrt umher.

Nur noch 9 Meilen sind es jetzt zum Marble Canyon, wo wir in der Lodge vorgebucht haben. Dann radeln wir noch mit leeren Rädern die 6 Meilen zur ehemaligen Lee′s Ferry hinunter. Das ist auf hunderte von Meilen der einzige Platz, wo man ganz an den Colorado River hinunter kommt (außer der Phantom Ranch im Grand Canyon natürlich). Hier betrieb ab 1873 der Mormone John D. Lee die einzige Fähre in weitem Umkreis, eine Schlüsselstelle am einstigen Arizona-Pionierweg. Hochinteressant ist die Geschichte der Fähre als auch von Lee selbst, wobei nebenbei bemerkt nicht unbedingt das beste Licht auf die Methoden fällt, wie die Mormonen ihre Macht im Staat Utah zementierten (s. obigen Link).

Auf jeden Fall ist das ein wunderbarer Platz dort unten; heute werden hier immer die Rafting-Boote der Grand Canyon-Fahrer zu Wasser gelassen. Friedlich ist der Fluss hier, nur ein paar ganz kleine Stromschnellen lassen erahnen, wie es weiter unten zur Sache geht. Und dann radeln wir noch kurz zur Navajo Bridge hinüber – erst die hat ab 1928 Lee′s Ferry überflüssig gemacht. Und über die Navajo Bridge geht es dann am nächsten Morgen weiter in Richtung Page.

Page ist eine sehr sympathische Stadt, wo es uns immer wieder hinzieht. Einziger Grund für ihre Existenz hier draußen in der Wüste ist der Glen Canyon Dam, der von 1956 bis 1964 gebaut wurde der und den oberen Colorado River zum Lake Powell aufstaut. Damit (und mit dem Lake Mead nahe Las Vegas) wurde Arizona zum Wassersport-Land Nummer Eins in den USA – hier soll es mehr Boote als in jedem anderen US State geben. Sehr beliebt sind Hausboot-Touren (aber ein wenig oberhalb unserer pekuniären Möglichkeiten angesiedelt), die mehrstündige Bootstour zur Rainbow Bridge hinaus(haben wir vor langer Zeit schon gemacht, ein unvergessliches Erlebnis) und seit einigen Jahren auch Führungen durch den Antelope Canyon, einen so genannten Slot Canyon – der war bei unserem letzten Aufenthalt hier noch gar nicht zugänglich. Klar, dort müssen wir hin! Und noch viel mehr hat Page zu bieten: Erstens kann man hier ganz nett flanieren (okay, für amerikanische Verhältnisse), dann gibt es das recht interessante kleine Powell Museum – John Wesley Powell war ja bekanntlich der, der anno 1869 als erster den Grand Canyon durchfuhr, mit 9 Mann in windigen Holzbooten, und damit der Urvater aller Rafter – und es gibt eine fantastische Pizza bei Strombolli auf der Terrasse. Endlos könnte man hier abhängen; das ist in Page unsere Stammkneipe! Zumal Garten- und Terrassen-Wirtschaften bei Uncle Sam ja eher eine rare Spezies sind.

Zur Antelope Canyon Tour werden wir mit etlichen anderen Touris auf einen Pickup mit Sitzbänken verfrachtet und etwa fünf Meilen vor die Stadt hinaus gekarrt. Nach der Hälfte der Wegstrecke endet der Asphalt und es geht auf eine harte Sandpiste. Der  Navajo-Fahrer rächt sich jetzt wohl mit seinem Fahrstil für fünf Jahrhunderte ungerechte Kolonialgeschichte, denn wir werden dermaßen durcheinandergebeutelt, dass man jeden Knochen einzeln neu sortieren muss. Der Native American grinst jedenfalls süffisant, während beim Absteigen der Staub aus unseren Kitteln rieselt.

Der Canyon selbst ist aber wirklich staunenswert, ein echtes Naturwunder. Die schmale Spalte verjüngt sich in irrwitzigen Formen und Farben nach oben und ist an der Erdoberfläche gerade mal einen Meter breit, sodass man locker drüber springen kann. Hier fehlen mal wieder die Worte – ein paar Bilder sagen mehr.


Bemerkenswert auch: Der Antelope Canyon liegt im Navajo-Reservat; die Navajos managen alles selbst, wie auch draußen im Monument Valley. Sie machen das erstklassig und professionell, da hat sich in den letzten Jahren einiges sehr positiv verändert. Trotzdem, vor der jetzt vor uns liegenden Strecke durch das Reservat haben wir großen Respekt – wir erinnern uns noch von früher an betrunkene Autofahrer, zerbrochene Flaschen auf der Fahrbahn, die aus den Autofenstern fliegen… Auch aus dem Radforum kamen eindeutige Warnungen. Dazu nur wenige Versorgungspunkte, die US 160 verkehrsüberlastet und ohne Seitenstreifen – kurz, das schreit nach einem Zwischentransport.

Page – Moab (450 km*)

Als Transporteur heuern wir den netten Bootsvermieter Carl an (Carl′s Marine Rentals) und dürfen am nächsten Morgen um 8.30 Uhr unser ganzes Gerödel inkl. Fahrrädern auf seinem Truck verstauen. Eine gute Entscheidung, wie wir dann aus dem bequemen Fahrerhaus sehen – die US 160 ist wirklich so ätzend wie beschrieben, zumindest das Stück zwischen der AZ 98-Einmündung und Kayenta. Und Carl hält uns während der Fahrt noch einen erstklassigen landeskundlichen Vortrag, über das Colorado-Plateau, indianische Webarbeiten und über die guten Fortschritte der Navajo Community, die auch uns schon aufgefallen waren. Die Navajos haben sogar ihr eigenes Kohlekraftwerk, das wir auf der Fahrt passieren, und die Kohle wird mit elektrischen Zügen aus gut 100 Meilen Entfernung hierher gebracht. Den hier erzeugten Strom und auch den vom Glen Canyon Dam verkaufe man nach Las Vegas und Phoenix, das habe Page reich gemacht. Und der in Page verbrauchte Strom werde billig aus Colorado bezogen – ein gutes Geschäft.

Nahe dem Monument Valley verabschieden wir uns herzlich von Carl – vielleicht schaffen wir es ja doch mal zur Hausboot-Tour auf dem Lake Powell. Jetzt beziehen wir zunächst mal auf dem Goulding′s Campground ein schönes Plätzchen zwischen roten Felsen, mit Blick auf ein paar der wohlbekannten Zeugenberge in der Ferne. Schnell steht das Zelt, und dann radeln wir natürlich hinüber zum Vista Point am Information Center. Das sind immerhin 12 km, aber von dort hat man jetzt endlich den berühmten Blick ins Tal der Monumente, genau wie im Wildwestfilm und in der Marlboro-Reklame. Auf der Aussichtsterrasse bleiben wir dann lange sitzen und schauen zu, wie die Schatten immer länger werden. Sonnenuntergang im Monument Valley, das muss man schon mal erlebt haben! Genauso wie nachts den tollen Sternenhimmel (fast meint man, direkt in der Milchstraße zu stehen), am nächsten Morgen dann den Sonnenaufgang… Kein Wunder, dass wirklich jeder Wildwest-Touri hier unbedingt her will.


Dann Aufbruch; die US 163 bringt uns aus dem Tal hinaus zum Monument Pass. Wir haben Gegenlicht und die Felsentürme, Steinkamine und Zeugenberge stehen wie Scherenschnitte am Himmel. Und nach dem Pass dann beim Blick zurück stehen wir doch tatsächlich mitten in dem berühmten Foto, das fast jeden USA-Kalender ziert – und jetzt bei tollster Sonnenbeleuchtung. Es folgt eine kleine Senke, dann geht es wieder etwas hinauf. Hier stehen schon die ganzen Campmobile der europäischen Touristen, und während wir uns die Steigung hocharbeiten, werden wir von allen Seiten geknipst – ist fast ein bisschen wie Hollywood hier:-)

Weiter dann, über Mexican Hat, Bluff, Blanding – Ortsnamen wie aus einem Western; auch die durchradelten Landschaften lassen das entsprechende Feeling aufkommen. Pittoreske vielfarbige Felsen und Halbwüste wechseln mit prärieartigen Hochflächen, weite Ausblicke mit engen Flusscanyons. Zwei anstrengende Tagesetappen sind es bis Monticello, das gut 1000 m höher liegt als der am selben Morgen überquerte San Juan River. Oben, auf 2200 m, gibt es wieder Kiefern und sogar Laubbäume, die schon Anzeichen von Herbstfärbung erkennen lassen. Die Highlights: Pilzfelsen wie etwa der berühmte Mexikanerhut, der an einen Heuhaufen erinnernde Church Rock, in Bluff das beste Steak unserer ganzen Tour – und die rauschende Abfahrt nach Moab, gut 1000 m fast ohne Gegenanstieg. Am Ortseingang haben sie ein hübsches Schild, passt genau für das Ankunftsfoto. Dazu schieben wir die Räder durch eine kleine Wiese (!) – und entfernen hinterher mittels Lesebrille und Pinzette genau 17 Kaktusstacheln aus unseren Reifen. Unglaublich; zum Glück haben wir genau hingeschaut!

Moab ist eine geschäftige Touri-Stadt, mit nur 5000 Einwohnern größter Ort in ganz Southeast Utah, Outdoor- und Adventure City Number One. An jeder Ecke kann man Jeeps, Quads und Geländemotorräder mieten – und Mountainbikes! In absolut keiner Stadt der USA haben wir bislang so viele Fahrräder gesehen, auf dem Pickup Truck oder festgezurrt auf dem Autodach. Die werden dann zum berühmten Slickrock Trail hinausgekarrt, es gibt Biker-Träume wie den Killer Loop oder den Hurrah Pass – bloß auf der Straße radelt fast keiner. Sogar wir buchen für übermorgen einen Mietwagen, und zwar den mutmaßlich einzigen "normalen" Chevy in der ganzen Stadt – in die weiter entfernten Canyonlands hinaus und beim besten Abendlicht zum Delicate Arch schaffen wir es ohne Auto nicht.

Doch zunächst gehen wir natürlich den Arches NP per pedales an. Nur 3 Meilen sind es von Moab bis zum Park Entrance, wo wir selbst per Rad zunächst eine Weile im Stau stehen. Kein Wunder, denn Arches ist neben Grand und Bryce Canyon sicher der beliebteste und sehenswerteste Park im ganzen Südwesten. Wie die Bögen, nahezu einzigartig auf der Welt, wohl entstanden sind? Im Visitor Center zeigen sie einen informativen Film; wir erfahren, dass ein Urmeer und später Salzstöcke an der Sache beteiligt waren – ganz haben wir es trotzdem nicht begriffen. Der Link oben (s. "Brochures" unter Deutsch) erklärt es näher.

Dann geht es auf serpentinenreicher Straße in den Park hinein, zwischen tollen roten Felsen, die teils kugelig verwittert sind und an anderen Stellen lange, schmale Wände bilden. Wieder mal eine ganz neue Landschaftsform, und wieder mal eine recht anstrengende Strecke – Tritt für Tritt kurbeln wir uns in den kleinen Gängen höher. Wir passieren die Felsformationen "Park Avenue", "Courthouse Towers" und "Three Gossips", dann den "Balanced Rock", aber bislang ist noch kein einziger Bogen in Sicht.

Dafür kommt eine schöne Picknickstelle, wo wir gepflegt und sogar im Schatten zu Mittag speisen und dabei die Aussicht ringsum genießen. Dann weiter, wir biegen in die so genannte Windows Section ein – und jetzt tauchen sie auf am Horizont: Windows Arch (North & South), Turret Arch, und ein paar tolle Hiking Trails bringen uns dann hin zu diesen Naturwundern, deren Faszination sich wohl keiner entziehen kann. Besonders interessant der Double Arch, wo zwei Bögen ineinander übergehen, mit sinkendem Sonnenstand wird es immer toller… Doch den Sonnenuntergang können wir nicht mehr abwarten, dafür haben wir morgen den Mietwagen. Für den Rückweg brauchen wir knapp zwei Stunden; gerade mit einsetzender Dunkelheit treffen wir in unserem Motel ein.


Motorisiert hat man da natürlich andere Möglichkeiten. Anderntags erarbeiten wir uns per Wander-Trail den Delicate Arch Viewpoint, den Sand Dune Arch, den Landscape Arch, den Palm Tree Arch und den Skyline Arch. Besonders der Landscape Arch fasziniert – er ist seit einem massiven Gesteinsabbruch anno 1991 so dünn geworden, dass mit seinem Einsturz praktisch täglich zu rechnen ist. Drunter durchwandern darf man jedenfalls schon seit geraumer Zeit nicht mehr, aus Sicherheitsgründen.

Abends dann natürlich die obligate Wanderung zum Delicate Arch, knapp 5 km Round Trip. Das ist sicherlich der berühmteste Bogen der Welt, gleichzeitig ziert er Utahs Autonummernschilder, Briefmarken, Postkarten und, und, und. Das ist aber auch wirklich ein tolles Teil; dünn und vollkommen exponiert steht der Delicate Arch auf einem Bergrücken – bloß, leider wissen das zu viele. Einige Hundertschaften an Touris wollen heute zusammen mit uns den Sonnenuntergang hier erleben, kaum kriegt man einen vernünftigen Stehplatz. Ganze Busladungen mit Japanern werden herangekarrt, und alle europäischen Sprachen werden rundum gesprochen – ist aber auch ganz lustig, und gibt mal ausnahmsweise ganz andere Bilder wie die sonst von Naturwundern üblichen:-)


Der Besuch im Canyonlands NP und im nahebei gelegenen Dead Horse Point State Park kann uns dann gar nicht mehr so ganz begeistern. Sicher, man hat schöne Weitblicke, es gibt nette Trails, das Urteil ist garantiert ungerecht – doch wenn man vorher am Grand Canyon und im Arches NP war, dann ist das halt nur schwer zu toppen.

Moab – Bryce Canyon (450 km*)

Ein erstklassiger Radweg führt uns aus Moab hinaus, schön angelegt zwischen den liebgewordenen roten Felsen und in angemessener Distanz zum Highway 191. Ab der Abzweigung zum Arches NP geht es ordentlich hinauf, nach gut 10 km sind wir oben – und befinden uns plötzlich in einer tischebenen Halbwüste aus grauem Sand und Kies so weit das Auge reicht. Unglaublich, die ganzen Naturwunder dieser tollen Gegend scheinen plötzlich Lichtjahre weit weg zu sein.

Seit langem geht es dann mal wieder ein Stück über die Interstate, in diesem Fall die I 70. Wir kommen mit leichtem Rückenwind gut vorwärts und haben schon gegen Mittag die 85 km nach Green River abgespult. Der Ort gibt nicht viel her, das Netteste ist noch der gleichnamige Fluss, den wir auf schöner Brücke überqueren. Dank der I 70 gibt es einen Truckstop, ein paar Motels, einen Laden – früher war hier eine Fähre, dann wurde Green River zum Versorgungspunkt für die Eisenbahn, später betrieb die Air Force ein Raketen-Testgelände. Heute leben gerade noch 900 Einwohner in der Stadt, Downtown wird vom Verfall regiert, die Main Street säumen leerstehende Häuser und Geschäfte, vorbei das blühende Leben… Ein Schicksal, das viele Kleinstädte ereilt hat, die sich in the Middle of Nowhere verlieren. Dazu die aktuelle Wirtschaftskrise, fast 10% Arbeitslose, spärliche Sozialversorgung und eine Politlobby, die höhere Steuern für Reiche immer wieder erfolgreich verhindert – die Amis haben es nicht leicht in diesen Tagen. "Thank you for visiting America," spricht uns bei einer Rast freundlich und mit ernster Miene ein älterer Farmer an, "we need your money badly!" Und überall Reklame von Pfandleihern an der Straße: "Fast Cash – Payday Loan", das war uns schon in Las Vegas aufgefallen. Das Schärfste aber war das Schild unten, nahe St. George. Auto, E-Gitarre, Armbanduhr, sogar Schusswaffen – alles kannst du in der Not zu Bargeld machen. "Hast du keine Knete mehr, verpfände dein Maschineng′wehr!" God bless America – wir wünschen diesem Land von Herzen, dass es bald wieder aufwärts geht, und vor allem weniger soziale Schieflage.

Immerhin bekommt die Landschaft endlich wieder Konturen; ein paar interessante Berge erscheinen am Horizont. Nach weiteren 30 km auf der I 70 biegen wir in die UT 24 ein, die fast schnurgerade bei leichtem Auf und Ab nach Hanksville führt. Und Hanksville ist dann sogar noch etwas öder als Green River, falls das überhaupt möglich ist. Zwar gibt es einen kleinen Laden, das Motel geht auch so, aber gegenüber im Steakhouse haben sie kein Bier und nur eine reduzierte Speisekarte, denn ab Ende der Woche sei hier bereits Winterpause, dann gleiche der Ort einer Geisterstadt, wie wir hören. Wie es aber den alten Goliath GP 700, made in Bremen 1955, ausgerechnet nach Hanksville und damit an den absoluten A*** der Welt verschlagen hat – das wird uns wohl ewig ein Rätsel bleiben. An der geschlossenen Shell-Tankstelle steht Borgwards einst legendärer Zweitakter zum Verkauf, nur noch durch Rost zusammengehalten. "Very rare in the U.S." steht auf einem verblichenen Schild. Das kann man ohne weiteres so stehen lassen.

Am nächsten Morgen hat es geregnet, es ist nass und der Himmel hat viele Wolken, als wir gegen 7.00 Uhr aus dem Fenster blicken. Vorboten eines nahen Wetterumschwungs – es bleibt aber dann doch den ganzen Tag trocken, gottseidank!

Die UT 24 führt zunächst ganz angenehm durch das Tal des Fremont River, doch dann werden immer mehr Flussbiegungen über die Berge abgekürzt. Keine einfache Strecke, das geht in die Knochen – abends werden wir rund 1000 Höhenmeter absolviert haben. Die Landschaft ist aber recht ansprechend, von links grüßen weit entfernt die unwegsamen Henry Mountains herüber und vor uns zeichnen sich am Horizont bereits die Klippen des Capitol Reef NP ab. Exakt um Zwölf (High Noon) passieren wir den Parkeingang.

Jetzt wird das Tal des Fremont River immer enger, der Fluss schlängelt sich durch die pittoresken roten Felswände des Capital Gorge, eine wunderschöne Strecke. Und selbst diese unwegsame und weltabgeschiedene Gegend ist altes Siedlungsgebiet. Nach den Anasazi-Indianern kamen die Mormonen – der erste war Ende des 19. Jh. ein gewisser Elijah Cutler Behunin, dessen höchstens 10 qm großes Steinhäuschen wir im Vorbeifahren passieren, wo er mit seiner 10-köpfigen (!) Familie gelebt hat. Dann erreichen wir den ehemaligen Ort Fruita , wo noch eine nette Einraumschule zu sehen ist und wo die alten Obstplantagen der Mormonen heute noch die schönsten Früchte hervorbringen (die man als durchreisender Tourist für einen geringen Obolus ernten darf). Alles sehr nett – erst in den 60er-Jahren zogen die letzten Bewohner weg, nachdem der Staat sie ausgezahlt hatte, denn das Gebiet war zwischenzeitlich in den Nationalpark integriert worden.

Noch ein letzter langer und kräftezehrender Anstieg, dann können wir endlich recht geplättet in den hübschen Ort Torrey hinunter rollen. Sakrisch kalt war es auf den letzten Kilometern, da kommt heute der gute Jacuzzi im Days Inn gerade recht. Eine kräftige Coldfront sei im Anzug, wie wir dem Weather Channel im Fernsehen entnehmen – Regen und ab 2000 m Schneefall sind angesagt. Ausgerechnet jetzt, wo wir doch morgen über den Boulder Summit und damit auf über 3200 m hinauf müssen! Da wird wohl wieder ein Zwischentransport nötig werden.

Am nächsten Morgen erkundigen wir uns mal beim Outdoor Outfitter nebenan zwecks einem Lift. Der Inhaber hängt sich gleich ans Telefon – Julie, eine seiner Tour Guides, soll das richten ("Schmeiß das Gerümpel hinten von deinem Truck und sei um 9.00 Uhr hier!").

Julie ist eine Frau mittleren Alters, hat ein paar Pferde, ist im Outdoorladen zuständig für Horseback Riding, und mit dem Truck transportiert sie wohl immer ihr Heu. Doch nachdem die Ladefläche abgefegt ist, können wir die Räder bequem unterbringen. Um 9.30 Uhr biegen wir in die Scenic Route UT 12 ein und fahren auf die imposant aussehenden Boulder Mountains zu. Es ist windig, nieselt, Wolkenfetzen treiben, dazu beginnt die Straße gleich im zweistelligen Prozentbereich anzusteigen. Bald säumen ausladende Espenwälder die Strecke – ein Zeichen, dass wir von der 3000-m-Marke nicht mehr weit entfernt sind. Die Bäume erstrahlen in schönster Herbstfärbung, und beim Fotostopp an einem Aussichtspunkt hat es höchstens 3° C.

Boulder ist ein weltvergessener Außenposten der Zivilisation, nur Wanderer und Schneeschuhläufer halten den Ort am Leben. Weiter dann durch tolle Landschaften im Grand Staircase Escalante NM, Hell′s Backbone, Calf Creek Canyon… Schade, dass wir hier nicht radeln können; die UT 12 hätte eigentlich unsere Königsetappe werden sollen. Sonst sei es hier um diese Jahreszeit, Anfang Oktober, bei weitem noch nicht so kalt, meint Julie – erst nächste Woche soll es wieder sonnig und zögerlich wärmer werden.

Gut 100 Meilen weiter in Tropic lässt Julie uns aussteigen. Selbst hier, auf 1900 m, wirbeln jetzt ein paar weiße Flocken durch die Luft, wenngleich mit Regen versetzt. Wir quartieren uns für die nächsten Tage im Bryce Pioneer Village Motel ein, in einer hübschen Holzhütte mit guter Heizung – und jetzt beginnt das, was später als "schlimmster Frühwinter-Einbruch seit 1937" durch die Medien zieht. Als anderntags der Himmel kurz aufreißt und sogar ein bisschen Blau durchscheinen lässt, blicken wir auf eine rundum verschneite Bergwelt. Auch oben am Bryce Canyon (nur 12 km entfernt) liegt jetzt Schnee, am Boulder Summit sowieso, dort bleibt selbst die Straße für drei Tage schneebedeckt – hoffentlich ist Julie noch gut nach Hause gekommen!

Am Morgen des dritten Tags spannt sich ein fast makellos blauer Himmel über Tropic und die umliegenden Berge, die in der vergangenen Nacht eher noch ein bisschen an Schneedecke zugelegt haben. Kalt ist es immer noch, der Nachtfrost weicht nur langsam – egal, jetzt wird es Zeit für den Aufbruch! Eingepackt in drei Lagen Klamotten gehen wir die Steigung hinauf zum Bryce Canyon an, 600 Höhenmeter immerhin; wir schnaufen kräftig in der dünnen Luft. Oben beziehen wir in Foster’s Motel ein zwar schon etwas abgewohntes, aber gemütliches Zimmer. Ums Haus herum und auf den Dächern liegt noch Schnee.

Etliche Accomodations gibt es in Bryce, beidseitig des NP-Eingangs – Foster′s Motel liegt gut 7 km entfernt und war das einzige Quartier, das wir kriegen konnten (außer dem Campground, fröstel!). Selbst bei diesen widrigen Witterungsbedingungen ist also fast alles ausgebucht – der Bryce Canyon gilt halt als das Must See des Südwestens neben dem Grand Canyon, zu Recht! Für Ebenezer Bryce, den ersten Siedler hier Ende des 19. Jahrhunderts, war sein neu erworbenes Land jedoch "the hell of a place to loose a cow". Der Mormone wohnte mit seiner Familie unten in Tropic, genau am Eingang zum berühmten Bryce Amphitheater, wo bizarre Hoodoos im Halbrund stehen als besuchten sie eine Opernaufführung oder ein sportliches Ereignis. Dieses Gewirr von Felsnadeln machte Bryce das Leben schwer, und folgerichtig zog er nach wenigen Jahren wieder weg. Ein praktisch denkender Mann – immerhin hinterließ er dem Naturwunder seinen Namen; auch den Nachbau seiner Hütte kann man besichtigen.

Das Touri-Info-Angebot im Bryce Canyon NP ist natürlich wie immer erstklassig. Im Visitor Center buchen wir gleich mal eine geführte (und kostenlose!) Bustour zu den entfernteren und am höchsten liegenden Park-Aussichtspunkten für morgen. Und anderntags dürfen wir dann, nach klapperkalter Rad-Anfahrt von unserem Jwd-Motel, am Parkeingang einen schönen großen Bus besteigen, der dann noch etliche Haltepunkte anfährt und zum Schluss gut gefüllt ist. Dies sei jetzt die letzte geführte Bustour für diese Saison, erklärt uns der nette Fahrer Spike (mal wieder Glück gehabt!) – wir sollen auch bei jedem Besichtigungsstopp gut aufpassen, dass wir nicht zu spät kommen, sonst stünden wir dort bis 4. Mai nächsten Jahres.

Auf der Fahrt zum Rainbow Point erfahren wir dann eine Menge interessante Dinge über die Entstehung des Parks, Tier- und Pflanzenwelt, über das gesamte Colorado-Plateau und über das US-Nationalpark-System. Spike hat es voll drauf und kann sehr gut erzählen, immer garniert durch einen trockenen Witz. Er ist 72 Jahre alt ("only 12 years younger than the park"), hat vorher 32 Jahre bei PepsiCo geschafft und ist jetzt seit vielen Jahren und aus echtem Interesse hier als Tour Guide tätig. Und so sehen wir die ganze Palette der schönsten Ausblicke und Sehenswürdigkeiten – Yovimpa Point, Ponderosa Point, Natural Bridge, Farview Point… Vom Bryce Point haben wir eine grandiose Aussicht durch die ganzen Hoodoos hinab bis nach Tropic, wo wir die Schule, die Mormonen-Kirche und die Straßen erkennen können, die wir gestern entlanggeradelt sind.


Interessant auch die Natur: Spike zeigt uns Bristlecone Pines, den Manzanita-Busch, Maultierhirsche, Präriehunde und zwei halbzahme Raben ("bloß nicht füttern, sonst sind 100 Bucks Penalty fällig"). Smart Guys seien sie, die Raben – sie stellen sich regelrecht für die Fotografen in Positur und scheinen dabei noch zu grinsen. Penalty, wen juckt′s:-) Kein anderes Tier kann sich so gut an unterschiedliche Bedingungen anpassen wie die Raben – in Kanadas Norden jagen sie sogar gemeinsam mit den Wölfen, die dann von ihrer Beute etwas übrig lassen. Wirklich super, was man für sein Nationalpark-Eintrittsgeld hier alles geboten kriegt!

Jetzt fehlt natürlich noch eine Wanderung auf dem Rim Trail – und hinab ins Gewirr der Hoodoos. Der Weg führt zunächst von einem tollen Aussichtspunkt zum anderen, dabei umrunden wir das ganze Amphitheater, und die Sonne zaubert fantastische Stimmungen aus Licht und Schatten über die Szenerie, die am Horizont von den kräftig verschneiten Escalante Mountains eingerahmt wird – bald noch schöner als auf den Postkarten. Da spürt man fast den immer noch schneidend kalten Wind nicht mehr! Interessant auch wenn man bedenkt, dass der Bryce Canyon mit seinem weichen Gestein zu den sich am schnellsten wandelnden Landschaften der Erde gehört und wir, kämen wir in hundert Jahren hier wieder vorbei, wahrscheinlich ein gänzlich anderes Landschaftsbild antreffen würden.

Immerhin liegt im Nationalpark jetzt fast kein Schnee mehr – gottseidank! Die absolute Krönung ist nämlich der steile Abstieg auf dem Navajo Loop über irrsinnige Serpentinen zwischen roten Felswänden (der Weg heißt bezeichnenderweise Wall Street) mitten hinein zwischen die Steinmännchen und wieder hoch zur Kante über den Queen′s Garden Trail. Und spätestens jetzt sind wir mit dem Bryce Canyon wieder versöhnt, der uns einst (anno ′95) zwecks kräftigem Schneefall kaum aus dem Auto steigen und schon gar nicht zu den Hoodoos hinab wandern lassen hatte. Tja, das ist einer der kältesten, aber ganz sicher auch einer schönsten US-Nationalparks, ohne Zweifel!




Bryce Canyon – Las Vegas (510 km*)

Trotz allem sind wir froh, dass wir jetzt wieder aus der Höhe heraus und in wärmere Gefielde kommen – in Las Vegas soll es immer noch um die 30 °C haben! Am nächsten Morgen starten wir früh unter Einsatz sämtlicher Kittel, bei Temperaturen von immer noch deutlich unter Null. Durch den tollen Red Canyon geht es auf schönem Radweg zügig bergab, strahlend blauer Himmel kontrastiert zu den roten Felsen, die auch schon fast eines Nationalparks würdig wären. 20 km weiter biegen wir in die US 89 ein, wo wir auf gutem Belag zügig vorwärts kommen, und bereits am frühen Nachmittag sind wir nach einer weiteren rauschenden Abfahrt (800 Höhenmeter!) wieder in Mt. Carmel Junction.

Jetzt schließt sich der Kreis unserer Tour – wir treffen auf unsere alten Spuren, denn hier waren wir vor knapp vier Wochen von Zion kommend auf dem Weg zum Grand Canyon schon mal vorbeigekommen. Das feiern wir (ohne Jacke!) vor der schön von der Sonne beschienenen Wand des White Mountains Trading Posts mit einer kalten Gedächtnis-Cola. Endlich mal wieder gepflegt in der Sonne sitzen!

Nach einem unschwierigen Anstieg am nächsten Morgen beginnt der lange Downhill ins Zion Valley. Wunderbar ist es, jetzt entspannt, per pedales und wieder bei bestem Wetter die Strecke zurücklegen zu können, die wir seinerzeit im Trailhead Shuttle heraufgekommen sind. Wir passieren die Checkerboard Mesa, die bunten Sandsteinfelsen leuchten schön. Sogar ein paar Bighorn-Schafe können wir unweit der Straße auf einem Felsen ausmachen – damit hätten wir (außer Pumas) jetzt die heimische Tierwelt praktisch komplett.

Durch den Tunnel dürfen wir natürlich erwartungsgemäß nicht radeln. Doch schon der erste Pickup-Fahrer hat ein Herz für uns und wir können alles auf der nagelneuen und blitzsauberen Ladefläche unterbringen. Larry und seine Frau Janice sind hier auf Kurzurlaub, das ganze Führerhaus ist voll mit Klamotten und sonstigem Gepäck, und so müssen wir hinten auf der Ladeklappe sitzen, können mit den Beinen baumeln und dem nachfolgenden Verkehr ins Auge blicken. Ist aber lustig; so hat bestimmt noch kein Radler den Zion-Tunnel durchquert!

Dann St. George. Wir rufen bei Kathleen und David an, die uns ja beim letzten Mal gebeten hatten, unbedingt auf dem Rückweg vorbeizukommen und bei einem guten Abendessen von unserer Tour zu berichten. Beide freuen sich riesig – am Abend werden wir abgeholt und zu einem nahen Deli mit netter Terrasse und Blick auf den Red Cliffs Drive verfrachtet, wo es gute Salate, Sandwiches und Suppen gibt. Dort speisen wir hervorragend und unterhalten uns endlos, über unsere Tour, Radsport, Amerika und Europa und, und, und. Die beiden kriegen immer größere Augen – wir sollen auch ja die Infos zum Rheinradweg schicken – na klar, das machen wir!

Irgendwie ist St. George eine gute Stadt für uns. Frohgemut rollen wir am nächsten Morgen die River Rd. hinab, dann der schöne Radweg von der Herfahrt – plötzlich ein Schild: Bike Path closed! Die Brücke über den Virgin River wird ausgebessert, auf die Interstate dürfen wir hier nicht… Also gut 4 km zurück, es gibt noch eine weitere Flussbrücke, dort auf den Radweg am anderen Ufer. Zur Sicherheit fragen wir noch zwei entgegenkommende Radler, ob wir so nach Mesquite kommen. Nein, weiter vorne auch gesperrt, leider.

Die beiden erklären sich aber gleich bereit, uns auf die richtige Route zu lotsen. Dann geht es ab, über Berg und Tal, wir machen fast 20 km Umweg. Und die zwei sind gut drauf, obwohl sicher schon im Rentenalter. Einer von ihnen ist gebürtiger Belgier aus Lüttich ("I′m Eddy, like Eddy Merckx"). Wir können gerade noch erklären, dass wir auf Cross Country Tour durch die Nationalparks sind, dann geht es zügig in die nächste Steigung, wir hecheln hinterdrein und brauchen unsere ganze Puste zum Treten.

An der Interstate-Zufahrt draußen bei der Arizona State Line verabschieden sich Eddy Merckx und Kumpel mit einem leichten Grinsen im Gesicht. Diese Strecke hätten wir alleine nie gefunden – aber jetzt brauchen wir erst mal Energie-Nachschub in Form von zwei Äpfeln und ein paar Keksen, dann setzen wir (deutlich langsamer als vorhin) unsere Fahrt in Richtung Mesquite fort, nochmal durch den engen Virgin River Canyon, den wir ja auch schon von vorher kennen.

Als Variante und kleinen Kontrast zur Herfahrt verlassen wir in Glendale die I 15 und gehen auf die Northshore Road, die nördliche Uferstraße des Lake Mead. Doch als Uferstraße kann man die schwerlich bezeichnen – nur in weiter Ferne sieht man den See zuweilen glitzern; er ist wie der Lake Powell bei Page eine aufgestaute Sektion des Colorado River, der mit dem berühmten Hoover Dam einen Großteil des Stroms für Las Vegas’ viele Lichter produzieren muss. Eine anstrengende Strecke wieder, es geht ständig bergauf und bergab durch kahle, sonnenverbrannte Berglandschaften, aber wir kommen auf dem schönen Belag gut vorwärts. Rechter Hand sieht man in der Ferne die roten Felsen, in denen auch das Valley of Fire eingebettet ist, ein toller Anblick. Und längst ist es wieder gefühlt genauso warm wie damals, an unserem ersten Radeltag, wo wir dort drüben ja schier aus den Schlappen gekippt sind.

Am Abend kommen wir doch noch direkt an die Gestade des Lake Mead – ein Vier-Meilen-Abstecher bringt uns hinunter zur Callville Bay, einem Wassersportzentrum mit Campground, wo wir nach langer Zeit (und zum letzten Mal auf dieser Tour) mal wieder unser Zelt aufschlagen. Dann der Endspurt! Wieder hinauf zur Northshore Road, schon kann man den Großraum Las Vegas in der Ferne sehen, zumindest den Vorort Henderson. Jetzt haben wir die gröbsten Steigungen hinter uns – aber selbst Mitte Oktober hat es hier noch über 30° C.; das Ziel kommt und kommt nicht näher! Bald kann man die ganzen Casinos und Hotelpaläste gestochen scharf erkennen, Mandalay Bay, Luxor, Wynn′s – fast könnte man die Fenster zählen. Es sind aber noch 40 km bis dahin und in der endlos langen Warm Springs Rd. steht die Hitze. So müssen wir außer zum stärkenden Mittagessen bei Albertson′s Supermarkt noch zweimal zu einer Tankstellen-Cola-Orangenpause anhalten. Erst als wir dann nach Umrundung des kompletten Flughafens in den Las Vegas Blvd. einbiegen wird es mit leichtem Rückenwind wenigstens etwas besser. Doch beim obligatorischen Ankunftsfoto am berühmten Welcome-Schild haben wir richtig weiche Knie. Und die letzte Etappe unserer großen Radel-Runde bleibt uns in Erinnerung als die zweithärteste – die härteste war die allererste…

Uff, jetzt sind wir doch sehr froh, dass wir es geschafft haben! Klar, das war eine super Tour, aber sie hat uns schon ein paar Mal an die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit gebracht. Doch die tollen Naturwunder, die netten Begegnungen mit vielen sympathischen Menschen unterwegs und die von tief innen kommende Zufriedenheit, die uns auf großen Radtouren immer durchströmt, die wiegen das bei weitem auf. Und jetzt gibt′s zuerst mal die traditionelle Es-ist-geschafft-Pizza, und zwar wieder unter dem Eiffelturm, wie bei unserer ersten Ankunft hier, dazu ein paar Miller′s Lite – das haben wir uns jetzt redlich verdient!

Ein paar Tage in Vegas stehen jetzt noch an – neue Jeans kaufen, Radkartons besorgen, Räder verpacken… Wir nehmen uns auch einen Mietwagen und fahren zum Death Valley hinaus, eine faszinierende Ecke: Death Valley Junction (mit einem noch funktionierenden Opernhaus!), Zabriskie Point, Furnace Creek, die historischen Borax-Minen, Scotty′s Castle – das alles würde sich noch genauer zu entdecken lohnen, auch die Sierra Nevada, Yosemite ist nicht weit… Genügend Gründe, um irgendwann mal wiederzukommen.

Doch jetzt heißt es erst mal back to Germany, morgen Nachmittag geht der Flieger. Da braucht es jetzt ein Kontrastprogramm, quasi zum Hinübergleiten in heimatliche Gefielde. Und deshalb gehen wir heute zum Abendessen ins Las Vegas Hofbräuhaus – eine gute Entscheidung! Köstlich schmeckt die Original Roasted Pork Sausage with Sauerkraut and Mashed Potatoes, dazu zwei Halbe vom Fass (famous Hofbräu Draft Beer, imported from Munich, Germany). Ein Mordsbetrieb ist in dem Laden, man feiert gerade Oktoberfest, die Oompah Band gibt fetzige Musik zum Besten und alle sind gut drauf. Selbst wenn wir mit dem Original zu Hause wenig anfangen können – hier ist das eine Riesen Gaudi, und jetzt stehen wir langsam wirklich schon wieder mit einem Bein daheim.

Ja, und unsere Reise hat sogar noch ein kleines Nachspiel: Eine Woche nach der Rückkehr kriegen wir eine Mail von Kathleen und David aus St. George: Die beiden haben es doch tatsächlich gepackt und sind nach Las Vegas geradelt! "Oh boy was that something!" schreibt Kathleen. "We were DONE, extra done – but I'm glad we did it!" Congratulations! Ha, wir als Tourenradler-Missionare! Das gab′s auch noch nie – eine ganz neue, aber durchaus angenehme Erfahrung.

Keep on rollin′ – Gruß

Sybille & Thomas

* Alle km-Angaben aus Karten und dem Internet ermittelt, überschlagen und bereinigt, d.h. Fahrten zum Supermarkt, Stadt- oder NP-Runden ohne Gepäck usw. wurden abgezogen. Die Google Map unten zeigt unsere Route näherungsweise und basiert nicht auf selbst ermittelten GPS-Daten, also ohne Gewähr. Am Ende unserer Tour hatten wir real 2210 km auf dem Tacho. Reisedauer: Sechs Wochen im September / Oktober 2011.



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